Prothesenimplantation: Nach Hüft- und Knie-OP wann wieder ans Steuer?

Da zu der Frage, wann Patienten nach Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese wieder in der Lage sind, Auto zu fahren, bisher aussagekräftige Daten fehlten, haben Wissenschaftler der Charité Reaktionszeit und Bremskraft von Patienten nach TEP-Implantation untersucht [1, 2]. Demnach sind Patienten mit einer Hüftprothese frühestens vier Wochen nach der Operation wieder fahrtauglich. Nach Implantation einer Knie-Prothese sollten sie sogar mindestens sechs Wochen abwarten, bis sie wieder ein Fahrzeug steuern. Entscheidend bleibe jedoch der Gesamtzustand des jeweiligen Patienten, da auch die grundsätzliche Leistungsfähigkeit, Begleiterkrankungen sowie die Einnahme von Medikamenten eine Rolle spielen.

Erst nach mehreren Wochen erreichen Reaktionszeit auf den Bremsreiz und Bremspedalkraft wieder das Niveau vor dem Eingriff

„Die Fähigkeit, eine Notbremsung durchzuführen, gehört zu den zentralen Voraussetzungen, um sicher Auto zu fahren“, so Prof. Carsten Perka, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE) und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité. Entscheidend beim Bremsvorgang seien eine intakte Reaktionszeit auf den Bremsreiz (BRT) sowie die Kraft, das Bremspedal ausreichend zu betätigen, (Bremspedalkraft, BPF). „An BRT und BPF sind Muskeln beteiligt, die sich – auch nach muskelschonenden Operationen, wie wir sie heute meist durchführen –, erst wieder regenerieren müssen“, erklärt der Unfallchirurg. „BRT und BPF gehören deshalb zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit dazu.“ Bislang habe jedoch keine Studie diese Parameter gemeinsam untersucht. An der Charité-Studie zur Fahrtauglichkeit nach Implantation einer Hüftprothese haben 25 Patienten (15 Männer, 10 Frauen, Durchschnittsalter 51,3 Jahre, BMI 26,8 kg/m2) mit einem zementfreien Implantat rechts nach MIC teilgenommen. Die Bremsfähigkeit für Notbremsungen (Zeit und Kraft) wurde in einem Fahrsimulator mit einer Messsohle erfasst. Messungen fanden sechs Tage vor dem Eingriff sowie zwei, vier und sechs Wochen nach der OP statt. Erst vier Wochen postoperativ wurden bei BRT und BPF keine signifikanten Unterschiede zum Zustand vor dem Eingriff mehr festgestellt. 

An einer weiteren Untersuchung nahmen 30 Patienten (16 Frauen, 14 Männer, Alter 66 Jahre, BMI 22,5 kg/m2) teil, die rechts eine zementierte Endoprothese erhalten hatten. Dabei wurden vor der Operation sowie fünf Tage, drei bis vier und sechs Wochen danach BPF, neuronale Reaktionszeit (NRT), Bremsreaktionszeit (BRT) und subjektive Parameter, wie Schmerz und die selbst wahrgenommene Fahrtüchtigkeit, gemessen. Lediglich die Bremspedalkraft hatte sich hier nach der OP zunächst signifikant verschlechtert – erst nach sechs Wochen erreichten die Werte wieder das Ausgangsniveau. Auch die Patienten stuften ihre eigene Fahrtüchtigkeit erst zu diesem Zeitpunkt wieder als „gut“ ein. Auffällig waren in dieser Studie auch die erheblichen Differenzen der Werte zwischen den Betroffenen. „Insofern erscheint es hier zielführender, statt absoluter Schwellenwerte eher den einzelnen Patienten zu betrachten und seine Parameter vor und nach der OP zu vergleichen, betont auch Priv.-Doz. Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken in Karlsruhe: „Bei der Wiederaufnahme der Fahraktivität sollte immer die Betrachtung des Individuums im Vordergrund stehen.“ Im Zweifel gelte es, Geduld zu haben und länger zu warten, denn eine Gefährdung des Straßenverkehrs könne laut Strafgesetzbuch (StGB) § 315c eine Straftat sein.

  1. Bäcker HC, Krüger D, Spies S, et al (2022): Effect of total hip arthroplasty on brake reactiontime and braking force; HIP Int 32: 51–55
  2. Kirschbaum S, Fuchs M, Otto M, et al (2021) Reaction time and brake pedal force after totalknee replacement: timeframe for return to car driving. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc (2021) 29: 3213–3220