Missachtet ein Patient ärztliche Empfehlungen, so entfällt die Beweislastumkehr nach grobem Behandlungsfehler

Bei einem vermuteten groben ärztlichen Behandlungsfehler gilt generell eine Beweislastumkehr, d.h. die Beweislast liegt beim behandelnden Arzt. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom Februar 2018 kann diese Beweislastumkehr entfallen, wenn der Patient wissentlich ärztliche Anordnungen oder Empfehlungen missachtet und daher möglicherweise eine Teilschuld an einem erlittenen Gesundheitsschaden hat (Az.: 26 U 72/17).

Geklagt hatte eine Frau aus Lippetal, nachdem ihr Ehemann an einem Herzversagen gestorben war. Sie machte einen groben Behandlungsfehler der Klinik für seinen Tod verantwortlich und forderte daher Schadensersatz. Ihr Ehemann wurde im Februar 2015 durch seinen Hausarzt mit Verdacht auf eine „instabile Angina pectoris“ in die beklagte Klinik eingewiesen. Nach ersten Untersuchungen, die den Verdacht einer koronaren Herzerkrankung bestätigten, verließ der Mann wenige Tage später gegen den ärztlichen Rat die Klinik – er war unzufrieden darüber, dass am Wochenende keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden. Sein Hausarzt riet ihm einige Tage später dringend, sich erneut stationär aufnehmen zu lassen und stellte ihm eine Einweisung in eine andere Klinik aus. Der Mann vereinbarte in der zweiten Klinik jedoch lediglich einen Termin zur kardiologischen Abklärung in vier Tagen. Noch vor diesem Termin verstarb er an einem – notärztlich dokumentierten – Herzversagen. Eine Obduktion erfolgte nicht.

Das Gericht wies die Klage ab. Auch wenn die Anhörung der medizinischen Sachverständigen mehrere, insgesamt als grob zu bewertende Behandlungsfehler der verklagten Klinik ergeben hatte. So wäre die behandelnde Klinik während der Anamnese aufgrund des erhöhten Cholesterinwertes des Patienten verpflichtet gewesen, das Rauchverhalten zu hinterfragen. Ebenso hätte der genaue Zeitpunkt erfragt werden müssen, zu dem der Patient zum zweiten Mal Thorax-Schmerzen verspürt habe. Aufgrund dieser Angaben hätte der Patient als Risikopatient eingestuft werden müssen, was die Bestimmung des Troponinwertes sowie ein weiteres EKG zur Folge gehabt hätte. Zudem sei es versäumt worden, zur Blutverdünnung und Schmerzlinderung den Arzneistoff Acetylsalicylsäure zu verabreichen – eine medizinische Standardtherapie bei Verdacht auf eine akute koronare Herzerkrankung. Im Rahmen der Beweisaufnahme habe allerdings nicht geklärt werden können, ob der Patient überhaupt an einem Herzinfarkt verstorben sei und ob die festgestellten Behandlungsfehler hierfür mitursächlich gewesen seien.

Trotz dieser Behandlungsfehler trage der Patient aufgrund seiner vorsätzlichen Missachtung der Empfehlung der behandelnden Ärzte ein erhebliches Mitverschulden an seinem Tode. Insbesondere die Weigerung, dem Rat seines Hausarztes zu folgen und sich stationär in ein Krankenhaus zu begeben, trage zudem dazu bei, dass das Behandlungsgeschehen nicht aufgeklärt werden konnte: Der Patient hatte durch sein eigenes Verhalten die Aufklärung zum Gesundheitszustand erschwert. Daher komme der Klägerin in diesem Fall keine Beweislastumkehr zu Gute und die Klage war abzuweisen.

Das Urteil ist rechtskräftig.