Chirurgie ist bis ins hohe Alter zumutbar

Seit die Menschen immer älter werden, stehen Chirurgen zunehmend vor der Frage, ob sie Eingriffe auch bei hochbetagten Patienten durchführen sollen. Wissenschaftler vom St. Michael’s Hospital Toronto (Kanada) haben in einer Meta-Analyse nach Antworten gesucht. Dazu erfassten sie 44 Studien mit insgesamt 12 281 Patientinnen und Patienten [1]. Die Antwort ist eindeutig: Das tatsächliche Alter des Patienten sagt nichts darüber aus, ob es nach dem Eingriff zu Komplikationen kommt oder nicht. Ein hohes Alter des Patienten allein ist somit kein Grund auf einen Eingriff zu verzichten. Geht es darum, das Risiko einer OP einzuschätzen, sollte viel eher das vom Lebensstil beeinflusste biologische Alter berücksichtigt werden. Die Arbeit wurde in „BMC Medicine“ veröffentlicht. Erstautorin Jennifer Watt zeigte sich überrascht von den Ergebnissen, zumal für Ärzte normalerweise in erster Linie das chronologische Alter maßgebend sei, um das Risiko von postoperativen Komplikationen zu beurteilen.

Berücksichtigt werden sollte vor allem Allgemeinzustand, Gebrechlichkeit und kognitiver Status des Patienten

Zu Komplikationen kommt es allerdings nach Operationen älterer Patienten relativ häufig. In jedem vierten Fall tauchen den Studien zufolge postoperative Probleme auf, die den Krankenhausaufenthalt verlängern. Jeder zehnte Patient konnte nach der Operation nicht mehr in seine frühere Umgebung zurückkehren. Einer von 20 Patienten starb innerhalb von 30 Tagen nach der Operation. Der wichtigste Risikofaktor war ein schlechter Allgemeinzustand, der das postoperative Komplikationsrisiko um den Faktor 2,58 erhöhte. Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, Depressionen, Gebrechlichkeit und kognitive Einschränkungen. Das biologische Alter selbst hatte keinen großen Einfluss auf die postoperativen Probleme. Auch die in der Anästhesie häufig angewendete ASA-Risikoklassifikation erwies sich als unzuverlässig. Studienautorin J. Watt empfiehlt daher, das biologische Alter und hier vor allem Allgemeinzustand, Gebrechlichkeit sowie den kognitiven Status des Patienten bei der Entscheidung für oder gegen eine OP zu berücksichtigen. Laut der Studie gibt es zudem Maßnahmen, bei denen erwiesen ist, dass sie das Komplikationsrisiko von Operationen senken. Dazu gehören eine gesunde Ernährung in der Zeit vor der Operation, körperliche Fitness, Rauchstopp oder bei Depressionen eine entsprechende Therapie.

1. Watt J, Tricco A, Talbot-Hamon C et al (2018) Identifying older adults at risk of harm following elective surgery: a systematic review and meta-analysis. BMC Medicine 16: 2. doi: 10.1186/s12916-017-0986-2